Geschlechtervielfalt

Dieses Portal zur Geschlechtervielfalt wurde von Mag.a Renate Tanzberger auf Anfrage von Univ.-Prof. Michael Eichmair, PhD für das Projekt MmF entwickelt und unter Mitarbeit von Mag.a Claudia Schneider aktualisiert und erweitert.

Informationen zu den progress pride flags

Videoclip mit Erklärungen zum Thema »Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt« von Dissens Berlin.

 Inhaltsverzeichnisse (Aufklappbar)

 Präambel

Das Projekt Mathematik macht Freude möchte der Tatsache Rechnung tragen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt und dass es sowohl Personen gibt, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht wohl fühlen als auch Personen, für die diese Zuschreibung nicht passt.

Wenn Sie trans*, inter*, non-binary sind, wissen Sie wahrscheinlich, wie es sich anfühlt, nicht mitgemeint zu sein (beispielsweise bei der Anrede »Meine Damen und Herren«), mit einem falschen Pronomen angesprochen zu werden, Diskriminierung, möglicherweise auch Gewalt zu erfahren oder vor schwierigen Entscheidungen zu stehen (»Werde ich seltsam angesehen, wenn ich in die ‚Damen‘-Toilette gehe?«). Wenn Ihre Gender-Präsentation nicht in Frage gestellt wird und Sie sich noch nicht oder erst wenig mit Diskriminierungserfahrungen von trans*, inter*, non-binary Personen beschäftigt haben, kann es sein, dass Sie sich mancher Privilegien gar nicht bewusst sind. Wie sehr würden Sie beispielsweise den folgenden Aussagen aus der Privilegiengalerie von Katja Linke (S. 18-21) zustimmen?

  • »Die Nennung meines Namens oder Geschlechts auf meinem Personalausweis, Führerschein oder Pass führt weder bei Kontrollen im Inland noch bei Auslandsreisen zu längeren Diskussionen, Beleidigungen oder peinlichen Leibesvisitationen.«
  • »Ich muss meine […] Geschlechtsidentität eigentlich nie richtig stellen oder erklären, weil die allermeisten Menschen mir  […] meine Geschlechtsidentität sowieso automatisch zuschreiben.«
  • »Ich kann leicht eine öffentliche Toilette finden, die Menschen meiner Gender-Präsentation problemlos benutzen können.«

Eine Beschäftigung mit den obigen Aussagen kann Privilegien bzw. Diskriminierungen im Zusammenhang mit geschlechtlicher, aber auch mit sexueller, Vielfalt sichtbar machen.

Eine Auseinandersetzung mit geschlechtlicher Vielfalt bedeutet immer auch in Bewegung zu bleiben. Es gibt nicht die eine richtige Meinung. Meinungen, die früher state of the art waren, sind inzwischen überholt und viele Themen wandeln sich oder werden kontroversiell diskutiert. Dazu drei Beispiele:

  • Sollte anfangs das Akronym LGB (die aus dem Englischen stammende Abkürzung steht für lesbian, gay, bi) darauf aufmerksam machen, dass es nicht nur heterosexuell l(i)ebende Menschen gibt, findet sich jetzt oft die Abkürzung LGBTIQA* (für: lesbian, gay, bi, trans, inter, queer/questioning, asexual), wobei der * symbolisieren soll, dass es über diese Aufzählung hinaus noch weitere sexuelle und geschlechtliche Identitäten gibt.
  • Auch in der Sprache findet ein permanentes Ringen statt, wie diese geschlechtergerechter gemacht werden kann. Früher wurde es als fortschrittlich erachtet, Frauen in der Sprache sichtbar zu machen, indem es zu Doppelnennungen kam (Studentinnen und Studenten) oder das Binnen-I verwendet wurde (StudentInnen). Heute werden Schreib- und Sprechformen gesucht, um sichtbar zu machen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt (Student*innen, Student_innen, Student:innen).
  • Die Bezeichnung »intersexuell«, die lange Zeit verwendet wurde, wird im deutschsprachigen Raum von der Community eher abgelehnt, weil der Begriff oft pathologisierend verwendet wurde und, weil »sex« im Englischen Geschlecht bedeutet, im Deutschen aber eher mit Sexualität konnotiert ist. Selbstvertretungsorganisationen empfehlen die Begriffe intergeschlechtlich und inter*.

Diese Präambel soll dazu einzuladen, eigene Ansichten und das eigene Verhalten zu reflektieren und Sie darin bestärken, Diskriminierungen entgegenzuwirken.

Auf welche Weise kann und soll Geschlechtervielfalt im Projekt MmF sichtbar werden?

  • Zu allererst in einer Haltung, mit der wir vermitteln, dass wir Geschlechtervielfalt nicht für ein Randthema halten und indem wir gegen Diskriminierung auftreten,
  • in unserem Schreiben (beispielsweise durch die Verwendung des Gendersterns wie bei Student*innen) und Sprechen (statt »Studentinnen und Studenten« beispielsweise »Studierende« oder »Student[Pause]innen«),
  • indem wir Personen, die wir nicht kennen, fragen, wie sie angesprochen werden wollen (Du / Sie, Vorname / Nachname, Pronomen),
  • indem wir bei von uns entwickelten mathematischen Aufgaben, in denen Personen vorkommen, auch geschlechtsneutrale Vornamen verwenden,
  • indem wir für alle am Projekt MmF Beteiligten (Mitarbeiter*innen, Lehrveranstaltungsleiter*innen, Studierenden) Fortbildungen zum Thema »Geschlechtliche Vielfalt« anbieten,
  • indem wir vor Beginn der Lehrveranstaltung an alle (neuen) Lehrveranstaltungsleiter*innen eine Mail schicken, in der wir Geschlechtervielfalt thematisieren und darauf hinweisen, welchen Beitrag die Lehrveranstaltungsleiter*innen leisten können, diese Vielfalt wertzuschätzen,
  • indem wir auf dieser Seite Informationen zur Verfügung stellen, die eine weiterführende Beschäftigung mit Geschlechtervielfalt ermöglichen.

Wie Sie die Wertschätzung von geschlechtlicher (und sexueller) Vielfalt auch in Schule, im Unterricht und als Lehrperson fördern können, dafür gibt die Seite ebenfalls mannigfaltige Anregungen. 

 Glossare

Zur raschen Orientierung finden Sie hier wichtige Bezeichnungen kurz definiert, ausführliche Glossare folgen. 

  • Trans*: Personen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren; Überbegriff für alle Geschlechtsidentitäten, bei denen das erlebte und gelebte Geschlecht nicht der Geburtszuweisung entspricht, die aufgrund des Aussehens der äußeren Genitalien getroffen wird.
  • Cis: Die eigene Geschlechtsidentität entspricht dem Geschlecht, das bei der Geburt auf Grundlage der gesellschaftlichen Einordnung der äußeren Genitalien zugewiesen wurde.
  • Nicht-binär: außerhalb der binären (Zwei-Geschlechter-)Ordnung befindlich.
  • Inter*: Menschen mit »Variationen der Geschlechtsmerkmale«, die mit intergeschlechtlichen Genitalien geboren werden oder Geschlechtsmerkmale (chromosomal, anatomisch und/oder hormonell) besitzen, die nicht den »klassischen Idealen« eines rein männlichen oder weiblichen Körpers entsprechen.
  • Endo: Menschen, die nicht intergeschlechtlich sind, deren Körper also in die biologisch-medizinische Konstruktion von entweder ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ passt.

Geschlechtsidentität: »beschreibt das Gefühl in Bezug auf das eigene Geschlecht«, »bezieht sich auf die innere Definition in Bezug auf das Geschlecht, also die eigene Zuordnung als Mann, Frau, in einem Raum zwischen diesen Polen bzw. in keiner dieser Kategorien« (Pauli 2023, S. 12). Nicht zu verwechseln mit Sexualität.

 

Geschlechtliche Vielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe. inter* und trans*Jugendliche
  • Stand: 2021
  • Wichtige Begriffe und Erklärungen zu diesem Thema auf Seite 41 und 42

 

trans. inter*. nicht-binär. Lehr- und Lernräume an Hochschulen geschlechterreflektiert, diskriminierungskritisch und respektvoll gestalten 
  • Stand: 2019
  • Begriffe wie inter, trans, nicht-binär, binäre Geschlechterordnung und Geschlechtsidentität werden auf Seite 7 und 16 der Broschüre definiert

 

Queeres Glossar der Queer Lexikons
  • Stand: 2019
  • Glossar der deutschen Online-Anlaufstelle Queer Lexikon

 

wort·schatz zur Vielfalt von Geschlecht, Beziehung, Liebe und Sexualität
  • Stand: 2022
  • Mit kürzeren Erklärtexten in einfacherer Sprache und längeren ausführlicheren

 

Geschlechter·wörter·buch in Leichter Sprache
  • Stand: 2024
  • Von a·gender bis Zwischen·geschlecht

 

Begriffserklärungen
  • Erstellt von der Trans*Inter*Beratungsstelle München

 Rechtlich-normative Grundlagen international und national

In Österreich bieten eine Reihe von rechtlich-normativen Grundlagen Schutz vor Diskriminierung von Geschlechtervielfalt im Allgemeinen. Diese stellen eine Rechtsbasis dar; eine rechtliche verbindliche Entscheidung für Diskriminierungsfälle in der konkreten Alltagspraxis muss jedoch in vielen Fällen erst auf gerichtlichem Weg herbeigeführt werden.

Europäische Menschenrechtskonvention EMRK:[1]

Die geschlechtliche Selbstbestimmung ist Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das die freie Entfaltung der Persönlichkeit umfasst. Es handelt sich um ein Menschenrecht. Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention schützt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und damit die Persönlichkeitssphäre des Menschen. Dazu zählen die sexuelle Orientierung und Transidentität als zentrale Aspekte der menschlichen Existenz. Intergeschlechtlichkeit in all ihren Ausprägungen ist ebenfalls vom Schutzbereich des Grundrechts auf Privatleben nach Art. 8 EMRK erfasst – gesetzliche Regelungen, die den Personenstand nur nach einer binären Geschlechtslogik festlegen, sind daher verfassungswidrig [2].

Die Yogyakarta-Prinzipien[3]

Die Yogyakarta-Prinzipien überprüfen die Anwendung Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. So fordert das Prinzip 16 das »Recht auf Bildung unter Berücksichtigung der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität und ohne aufgrund dessen diskriminiert zu werden« (S. 26f.); oder das Prinzip 19 das »Recht auf Meinungs- und Äußerungsfreiheit unabhängig von der sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität. Hierzu gehören auch der Ausdruck der Identität oder der Persönlichkeit unter anderem durch Sprache, Verhalten, Kleidung, körperliche Eigenschaften, Namenswahl sowie die Freiheit, Informationen und Gedankengut jeglicher Art mittels aller Medien und ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten, auch über Menschenrechte, sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten.« (S. 29)

Sustainable Development Goals (SDGs) - SDG 4 / Bildung

Österreich verpflichtet sich im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen im SDG 4/Bildung [4], ein inklusives und gleichberechtigtes Bildungswesen zu gewährleisten, die Bildungseinrichtungen kinder-, behinderten- und geschlechtergerecht zu gestalten, geschlechtsspezifische Ungleichheiten in der Bildung abzubauen und sicherzustellen, dass alle Lernenden Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben, welche nachhaltige Entwicklungen, sowie die Umsetzung der Menschenrechte und der Geschlechtergleichstellung fördern.

Österreichisches Gleichbehandlungsgesetz[5]

Das Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) schützt Menschen jeden Geschlechts und jeder Geschlechtsidentität vor Diskriminierung: Frauen, Männer, inter*, trans* und nicht-binäre Personen. Das Gesetz umfasst einen Großteil der Arbeitswelt und des Güter- und Dienstleistungsbereichs.

Im Bereich Bildung bietet das österreichische Gleichbehandlungsgesetz Diskriminierungsschutz allerdings nur aufgrund der ethnischen Herkunft. Im Gegensatz zu Volksschulen, Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS), Mittelschulen (MS) oder polytechnischen Schulen (PTS) fallen Berufsschulen und berufsbildende (höhere) Schulen (BMS und BHS) in den Bereich der Arbeitswelt – hier ist also Diskriminierungsschutz aufgrund von Geschlecht und Geschlechtsidentität gegeben und damit der Schutz vor geschlechtsbezogener Belästigung und Deadnaming (Verwendung des alten Namens eines trans*Menschen gegen dessen Willen oder ohne dessen Zustimmung). Die Gleichbehandlungsanwaltschaft [6] fordert immer wieder das sogenannte »levelling up«, also einen umfassenden Schutz, der alle Diskriminierungsgründe in allen Lebensbereichen betrifft.

Bioethikkommission[7]

Die österreichische Bioethikkommission hat 2017 auf Forderungen der Selbstvertretungsorganisationen reagiert und in einem Themenpapier zu »Intersexualität und Transidentität« 25 Empfehlungen für eine Verbesserung existierender Diskriminierung und Stigmatisierung formuliert. 

 

 

Quellen:

[1] nach: Ulrich, Silvia (2018): Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität(en) im Lichte der Menschenrechte. In: Ombudsstelle für Studierende (Hg.): Sexualität(en) und Geschlechtsidentität(en) im österreichischen Hochschulraum: zwischen Alltag und Tabu. Tagung, 4.6.2018, Universität für Musik und darstellende Kunst, Wien. Tagungsdokumentation (= Werkstattbericht 28); S. 6-10

[2] Der Staat hat die Pflicht, die selbständige Ausübung des Rechts auf individuelle Geschlechtsidentität von Inter-Personen sicher zu stellen. Bisher ist es in wenigen Staaten (z.B. Malta) möglich, den Geschlechtseintrag unter Verzicht auf Gutachten ausschließlich aufgrund von Selbstdefinition vornehmen/ändern zu lassen.

[3] Die Yogyakarta-Prinzipien wurden im November 2006 von namhaften internationalen Menschenrechtsexpert:innen auf einer Konferenz im indonesischen Yogyakarta entwickelt. Die insgesamt 29 Prinzipien sind nicht rechtsverbindlich, aber von politischer/juristischer Bedeutung und setzen Maßstäbe für eine konsequente Menschenrechtspolitik:
Die Yogyakarta-Prinzipien. Prinzipien zur Anwendung der Menschenrechte in Bezug auf die sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität. Hg.: Hirschfeld-Eddy-Stiftung. Schriftenreihe der Hirschfeld-Eddy-Stiftung – Band 1. Berlin 2008; https://www.hirschfeld-eddy-stiftung.de/fileadmin/user_upload/schriftenreihe/Yogyakarta_Prinzipien._HES_Schriftenreihe_Bd_1.pdf

[4] UN-Agenda 2030 – Nachhaltigkeitsziele/SDG’s Nr. 4 (Bildung); https://www.uninetz.at/nachhaltigkeitsziele/sdg-4-hochwertige-bildung

[5] Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz – GlBG); http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20003395. Für Bundesbedienstete gilt das Bundesgesetz über die Gleichbehandlung im Bereich des Bundes (Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, B-GlBG, BGBl. Nr. 100/1993); http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10008858

[6] Z.B.: Gleichbehandlungsanwaltschaft (Hg.) (2020): Gesammelte Forderungen der Gleichbehandlungs­anwaltschaft. Verbesserter Diskriminierungsschutz, höhere Wirksamkeit & Rechtssicherheit. Wien; https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwiTmLPiipmEAxXk7LsIHQn6C2wQFnoECBMQAQ&url=https%3A%2F%2Fwww.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at%2Fdam%2Fjcr%3Aa615c0cd-539d-4dc9-a9fa-ef01df9185b1%2F200929_Broschuere_GAW-Forderungen_A4_BF.pdf&usg=AOvVaw23-9Awk4RlzE4LS4kaUIrm&opi=89978449

[7] Intersexualität und Transidentität. Stellungnahme der Bioethikkommission. Wien, 2017; https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/bkagvat/content/osterreich-europa/bioethikkommission/publikationen-bioethik/Intersexualitaet%20und%20Transidentitaet_BF.pdf

 Gesetzliche Lage in Österreich

Inter*, trans*, nicht-binäre Personen haben über lange Zeit Diskriminierung erfahren. In den letzten Jahren gab es in Österreich zumindest einige maßgebliche Verbesserungen:

  • Sterilisationen, Scheidung und eine geschlechtsangleichende Operation heute keine Voraussetzung mehr für eine Personenstandsänderung,
  • inter* Personen haben einen Rechtsanspruch auf einen Personenstandseintrag jenseits von »weiblich« und »männlich«.

Dennoch kann heute von einer Gleichstellung noch keine Rede sein und unsere Gesellschaft ist weiterhin von einer Geschlechterdichotomie geprägt. Dazu ein Beispiel:

  • Als Voraussetzung für eine Personenstandsänderung sieht das Gesetz unter anderem vor, » […] dass eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zum Ausdruck kommt.«, womit Personen, die ihren Personenstand ändern wollen, gezwungen sind, Geschlechterstereotype zu reproduzieren.

Um einen Einblick in die rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse zu »geschlechtlicher Vielfalt« (mit Stand März 2024) zu geben, werden zunächst einige Rechtsnormen aufgelistet. Danach finden sich Links zu Websites, die die jeweiligen Themen vertiefen.

 Ad »Wahl der Geschlechtsidentität«

»Der Österreichische Verfassungsgerichtshof folgte mit seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2018 dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser hat sich bereits 2003 zu Transidentität ausgesprochen und, dass die selbstbestimmte Wahl der Geschlechtsidentität ein fundamentales Menschenrecht ist. Im Dezember 2018 bestätigte der Verwaltungsgerichtshof ein Erkenntnis des oberösterreichischen Landesverwaltungsgerichts (Ro 2018/01/0015 vom 14.12.2018) und urteilte, wie bereits schon der Verfassungsgerichtshof, dass der begehrte Personenstandseintrag »inter« ausdrücklich zulässig sei. Dies gilt allerdings ausschließlich für intergeschlechtliche Personen, non-binary-Personen steht dieser Personenstandseintrag nicht offen. Für Reisepässe ist für das dritte Geschlecht der Eintrag »X« für »non-specified/ unbestimmt« vorgesehen (laut Unionsrecht sowie Richtlinien der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO))«.

Für trans* und nicht-binäre Personen gab es keine Möglichkeit, einen anderen Eintrag außer weiblich oder männlich zu bekommen, ebenso wenig gab es für sie den Eintrag nicht-binär oder divers bzw. die Möglichkeit der Streichung des Geschlechtseintrags. 

In Folge kam es zu Klagen wegen Diskriminierung beim Zugang zu den alternativen Geschlechtseinträgen. Das Verwaltungsgericht gab den Kläger*innen recht. Ebenso wurde eine aufschiebende Wirkung, die das Innenministerium für die Umsetzung des nicht-binären Geschlechtseintrags beantragt hatte, vom Landesverwaltungsgericht Wien abgelehnt. »Dem Eintrag nicht-binär im ZPR steht damit rechtlich nichts mehr im Wege.« (April 2023) (ZPR steht für Zentrales Personenstandsregister)

Da die Website Geschlechtervielfalt nicht permanent aktualisiert wird, empfiehlt es sich, sich bezüglich des aktuellen Stands zu informieren (beispielsweise auf https://blog.genderklage.at).

     Ad »Geschlechtseintrag«

    »Für den Geschlechtseintrag bei Menschen, die weder männlich noch weiblich sind, gilt laut der Verordnung des Bundesministeriums für Inneres vom 9.9.2020 Folgendes:

    • Bei der Geburt von Kindern, die nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, obliegt es der Hebamme oder der Ärzt*in als Geschlechtsbezeichnung »inter«, »divers« oder »offen« einzutragen oder keine Angabe zu machen. Diese dritte Option ist nur bei Kindern möglich, die intergeschlechtlich, also weder eindeutig nur männlich noch eindeutig nur weiblich sind.
    • Problematisch ist, dass die möglichen Einträge »inter«, »divers« und »offen« synonym verwendet werden und hier die Auswahl der Ärzt*In bzw. Hebammen obliegt. Auch ist nicht geregelt, wann keine Angabe zu machen ist.
    • Sobald eine Zuordnung möglich ist, soll der Geschlechtseintrag ergänzt oder geändert werden auf »männlich«, »weiblich«, »inter«, »divers«, »offen« oder eben keine Angabe gemacht werden. Eine bestimmte Frist ist dafür nicht vorgesehen. Es kann daher auch Menschen geben, die lebenslang keinen Geschlechtseintrag haben.«
    • Anerkennung der dritten Geschlechtskategorie in Österreich

     Ad »Personenstandsänderung«

    Scheidung und eine geschlechtsangleichende Operation waren früher Voraussetzungen für eine Personenstandsänderung, sind es heute aber nicht mehr. 

    »Eine Personenstandsänderung bedeutet die Änderung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister. Durch Änderung des Personenstands (vormals «Geburtenbuch«) wird man offiziell im gelebten Geschlecht anerkannt und kann passende Dokumente erhalten.

    Voraussetzung zur Bewilligung ist ein Gutachten einer Fachärztin beziehungsweise eines Facharztes für Psychiatrie oder einer Psychotherapeutin beziehungsweise eines Psychotherapeuten oder einer klinischen Psychologin beziehungsweise eines klinischen Psychologen, das Folgendes enthält:

    • Die Erklärung, dass ein Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht besteht, und
    • dass dieses aller Voraussicht nach weitgehend irreversibel ist.
    • Die Mitteilung, dass eine deutliche Annäherung an das äußere Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zum Ausdruck kommt.

    Die Diagnose »Transsexualität (F 64.0)« muss seit Herbst 2020 nicht mehr enthalten sein.« 

     Ad »Schutz von intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen vor medizinisch nicht notwendigen Eingriffen an den Geschlechtsmerkmalen«

    Der österreichische Nationalrat hat im Juni 2021 beschlossen, dass intergeschlechtliche Kinder und Jugendliche vor nicht medizinisch notwendigen chirurgischen oder hormonellen Eingriffen zu schützen sind. Ein dementsprechendes Gesetz fehlt aber bis heute (Stand März 2024).

     Ad »Vorname«

    »In Österreich muss der erste Vorname eines Menschen laut Namensänderungsgesetz dem Geschlecht entsprechen. Dies ist fest in unserer Gesellschaft verankert. Sie erwartet, das Geschlecht einer Person eindeutig aus ihrem Vornamen ablesen zu können. Deshalb ist ein passender Vorname eine wichtige Voraussetzung für die soziale Anerkennung im eigenen Geschlecht. Zugleich ist der Vorname ein wichtiger Teil der eigenen Identität und es ist fast unmöglich, sich ohne passenden Vornamen ins eigene Geschlecht einzuleben.

    Eine Änderung des Vornamens darf nicht bewilligt werden, wenn der beantragte Vorname als erster Vorname nicht dem Geschlecht des Antragstellers entspricht. Damit sind geschlechtsspezifisch eindeutige aber auch geschlechtsneutrale Vornamen möglich. Ein Vorname, der dem Identitätsgeschlecht eindeutig entspricht, kann erst nach einer Personenstandsänderung angenommen werden.

    Geschlechtsneutrale Vornamen, die sowohl bei Männern als auch bei Frauen gängig sind, können jedoch auch ohne Personenstandsänderung angenommen werden.«

     Weiterführende Links

     Videos

    Manchmal sagen Bilder mehr als 1000 Worte. In diesem Sinne wurden hier Videos zusammengetragen, die geschlechtliche (teilweise auch sexuelle) Vielfalt thematisieren beziehungsweise die Lebenswelten von inter* und trans* bzw. non-binary Personen sichtbar machen.

    >> Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt – Erklärfilm << 
    • Videoclip mit Erklärungen zum Thema »Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt« von Dissens Berlin (3:30)
    • Video von 2017
    • Gesetzeslage in Deutschland
    >> Intergeschlechtlichkeit <<
    • Intergeschlechtlichkeit in 

      Gebärdensprache (5:19)
    • Video von 2022 
    • VIMÖ – Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich

    >> What It's Like To Be Intersex <<
    • Vier jugendliche inter* Aktivist*innen (Sean Saifa Wall, Pidgeon Pagonis, Emily Quinn und Alice Alvarez) erzählen (3:25)
    • Video von 2015
    >> My intersex story <<
    • Video von Irene Kuzemko, Mathilde und Organisation Intersex International OII Europe (3:59)
    • Video von 2018
    • Sichtbarmachung und die Wichtigkeit des Zusammenfindens intergeschlechtlicher Menschen

    >> Intersexion Trailer <<
    • Trailer zur Dokumentation über intergeschlechtliche Menschen (2:39)
    • Video von 2012
    • Die gesamte Dokumentation (49:22) findet sich hier
    >> LGBTIQ-Geschichten in Wien << 
    • Tinou Ponzer (15:11)
    • Video von 2023
    • Weitere »LGBTIQ-Geschichten in Wien«- Videos von Gesprächen mit neun LGBTIQ-Aktivist:innen zu ihrem Leben und ihrem Engagement in der Community finden sich hier

    >> What needs to change for intersex people <<
    • Tinou Ponzer | TEDxDonauinselSalon (10:35)
    • Video vom 31.07.2023

       

       

    >> Still Me << 
    • Non-Binary Short Film (13:18)
    • Video von 2021

    >> MASKED <<
    • Trans Short Film (15:00)
    • Video von 2019

       

       

    >> Queere Kinder und Jugendliche in der Jugendhilfe <<
    • Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (3:04)
    • Video von 2021

       

       

    >> Geschlechtergerechte Sprache <<
    • Erklärvideo mit Gebärdensprache (2:27)
    • Video von 2016
    • FUMA Fachstelle Gender & Diversität Nordrhein-Westfalen

       

       

     Broschüren

    Für alle, die ihr Wissen in Zusammenhang mit geschlechtlicher Vielfalt vertiefen wollen, folgen einige Hinweise auf Broschüren, die sich mit dem universitären oder dem (vor)schulischen Kontext auseinandersetzen. An erster Stelle findet sich eine Broschüre, die sich dem Thema »geschlechtliche Vielfalt« in leichter Sprache annähert.

     

    Frau. Mann. Und noch viel mehr
    • Eine Broschüre in Leichter Sprache vom Verein Leicht Lesen (2018)
    • Themen: geschlechtliche Vielfalt und sexuelle Orientierung
    • 59 Seiten

     

    Non-Binary Universities
    • Vademekum zu geschlechtergerecht(er)en Hochschulen
    • Akademie der bildenden Künste Wien (Hg.) (2019)
    • 56 Seiten

     

    Geschlechtervielfalt und die Rolle des Arbeitskreises bei der Gestaltung einer nicht-binären Universität
    • Terle, Christina (2020)
    • Praxisarbeit für den Basislehrgang
    • 25 Seiten

     

    Kritische Lehrer_innen. Kein Handbuch
    • Linke, Katja (2010)
    • Heterosexualität und geschlechtliche Eindeutigkeit als Privilegien
    • S.18-21

     

    Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Situation von trans, inter und nichtbinären Menschen an Hochschulen
    • erstellt vom Queer-Referat der ÖH-Bundesvertretung
    • 2 Seiten

     

    Trans, inter und nicht-binäre Studierende in der Lehre
    • erstellt von Steinacher Roland – Leiter Studienservice und Lehrwesen der Universität Wien
    • zuletzt geändert am 08. Aug 2023
    • nur für Personen mit Uni-Wien Zugang verfügbar.

     

    Sprach- und Bildgebrauch an der BOKU – geschlechterbewusst, vielfaltssensibel, inklusiv
    • Rektorat der Universität für Bodenkultur Wien (Hg.)
    • mit Tipps für Bewerbung und Stellenausschreibungen

     

    Empfehlungen der Task Force Gender and Diversity zur Umsetzung von Geschlechtervielfalt an österreichischen Universitäten
    • Österreichische Universitätenkonferenz (2022)
    • 9 Seiten

     

    Geschlechtervielfalt in Unternehmen
    • Ein Leitfaden für die Zusammenarbeit mit inter*, trans* und nicht-binären Menschen
    • VIMÖ und VARGES (Hg.)
    • 32 Seiten

     

    Trans*feindliche Mythen – einige Richtigstellungen
    • TrIQ TransInterQueer (Hg.)
    • 16 Seiten

     Sprachleitfäden

    Im Projekt MmF ist es ein großes Anliegen, sprachliche Diskriminierungen zu vermeiden. Sprache soll niemanden ausschließen. Das kann heißen, bei der Erstellung von Textbeispielen neben Namen wie Marie und Jakob auch Namen wie Selin, Baran oder Hassan zu verwenden, aber auch geschlechtsneutrale Namen wie Sascha oder Alex. Und es bedeutet der Tatsache Rechnung zu tragen, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt – zum Beispiel durch die Schreibweise »Student*innen«. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten und Strategien, genderinklusiv oder genderfrei zu formulieren, so wie es unterschiedliche Positionierungen dazu gibt – und der Prozess ist nicht abgeschlossen. Hier findet sich beispielsweise auf zwei Seiten eine Positionierung der Fachstelle Gender & Diversität Nordrhein-Westfalen zur Verwendung der »Sternchen-Schreibweise« bei Inter* und Trans*.

    Ein Motto, das wir auf den Weg mitgeben wollen: Kreativ sein – ausprobieren – interessiert bleiben – nachlesen – aus Kritik lernen.

    Einen informativen Einblick in das Thema »Sprache und Diversität« bietet die Sprachbox für Inklusivere Kommunikation an der PLUS - Paris Lodron Universität Salzburg. Unter anderem findet sich darin auch ein Kapitel zu »Geschlechtervielfalt in der Lehre« von Boka En.

    Sprachleitfäden gibt es inzwischen viele, wir haben ein paar davon nachfolgend aufgelistet:

     

    Inklusive Sprache. Was bedeutet das kurz erklärt? Ein Sprachleitfaden
    • Johannes Kepler Universität Linz (2020)
    • Dieser Leitfaden widmet sich inklusiver Sprache und ist daher bewusst in »leichter Sprache« verfasst
    • 20 Seiten

     

    Platz für gerechte Kommunikation
    • Johannes Kepler Universität Linz (2020)
    • Leitfaden für eine inklusive Sprache
    • 44 Seiten

     

    Geschlechtersensible Sprache – Dialog auf Augenhöhe. Leitfaden.
    • Gleichbehandlungsanwaltschaft (2023)
    • 60 Seiten

     

    Praxis-Handbuch »Geschlechtergerechte Sprache«
    • Katholische Jugend Österreich (2021)
    • 16 Seiten

     

    Geschlechterinklusiver Sprachgebrauch in der Administration der Universität Wien: Leitlinie und Empfehlungen zur Umsetzung
    • Universität Wien (2019)
    • 3 Seiten

     

    Geschlechterinklusive Sprache
    • Universität Wien

     

    Leitfaden für geschlechtergerechtes Formulieren und diskriminierungsfreie Bildsprache
    • Stadt Wien
    • 5 Kapitel (Geschlechtergerechte Sprache fördert Gleichstellung, 4 Möglichkeiten geschlechtergerechter Sprache, Geschlechtergerechte Sprache in der Praxis, Geschlechtergerechtes Formulieren in konkreten Situationen, Geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Bildsprache)
    • Mit Vorlesefunktion

     

    Genderwörterbuch
    • Das Genderwörterbuch dient als Inspiration wie gegendert werden kann.
    • 2062 Einträge mit Stand März 2024

     

    Übersicht über Pronomen und deren Deklinationen
    • Nichtbinäre Personen im deutschsprachigen Raum verwenden häufig they/them, dey/dem, kein Pronomen (Vorname), sier, xier

     

     A Guide To Gender Identity Terms
    • Leitfaden für Pronomen in englischer Sprache

     

    Als Einstieg ins Thema, wie dem Ideal Gendergerechtigkeit und Barrierefreiheit nähergekommen werden kann, bieten sich folgende Artikel an:

     

    Zur Kritik am Gendern mit Doppelpunkt
    • Lucia Clara Rocktäschel
    • 22.3.2021, zuletzt geändert am 28. Januar 2022

     

    Barrierefrei gendern: So geht's
    • Lucia Clara Rocktäschel
    • 28.9.2020, zuletzt geändert am 13. Januar 2022

     

    Gendergerechte Sprache barrierefrei gestalten
    • Anna Osypova

    • 2022

     Beratungsstellen, Organisationen

    Nachfolgend werden Organisationen aufgelistet, denen es zu verdanken ist, dass Geschlecht in seiner Vielfalt thematisiert wurde und wird sowie Diskriminierungen aufgezeigt werden. Selbstvertretungsorganisationen waren dafür von großer Bedeutung und Anlaufstellen braucht es nach wie vor. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bezieht sich ausschließlich auf Österreich bzw. Wien.

    Geschlechtervielfalt in der Schule

     Rechtlich-normative Grundlagen für Kinder und Jugendliche und für den Bereich der schulischen Bildung

    In Österreich bieten eine Reihe von rechtlich-normativen Grundlagen Schutz vor Diskriminierung von Geschlechtervielfalt im Allgemeinen. Für Kinder und Jugendliche und für den Bereich der schulischen Bildung im Besonderen sind zusätzlich folgende Rechtsdokumente wichtig, diese stellen eine Rechtsbasis dar. Eine rechtliche verbindliche Entscheidung für Diskriminierungsfälle in der konkreten schulischen Alltagspraxis muss jedoch in vielen Fällen erst auf gerichtlichem Weg herbeigeführt werden.

    UN-Kinderrechtskonvention[8]

    »Die menschenrechtliche Vorgabe, dass kein Kind aufgrund von Geschlecht, Rassismuserfahrung, Herkunft der Eltern oder Behinderung benachteiligt werden darf, ist in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen festgeschrieben (UN-KRK Art. 2). Sie garantiert allen Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr das Recht auf Bildung (Art. 28 UN-KRK) in Verbindung mit dem Recht auf Diskriminierungsschutz (Art. 2 UN-KRK) und unterstreicht den Vorrang des Kindeswohls bei allen Maßnahmen, die das Kind betreffen (Art. 3 UN-KRK). Weitere relevante Kinderrechte für den Schutz, die Persönlichkeitsentwicklung und die Selbstbestimmung von inter* und trans*Kindern und Jugendlichen sind Schutz der Identität, Berücksichtigung des Kindeswillens, Informationsfreiheit, Schutz der Privatsphäre und Schutz vor Gewalt.« (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Kinder, S. 11)

    Unterrichtsprinzipien

    »Schule hat auch Bildungs- und Erziehungsaufgaben, die nicht nur einzelnen Unterrichtsgegenständen zugeordnet werden können. Diese sind als Unterrichtsprinzipien im Unterricht aller Gegenstände der jeweiligen Schulart zu berücksichtigen«

    Geschlechtervielfalt als Thema der Bildungs- und Erziehungsaufgabe kann für alle Schulstufen und Schularten im Rahmen von mehreren Unterrichtsprinzipien thematisiert werden:

    Das Unterrichtsprinzip »Politische Bildung« (2015) hat als Ziel u.a. »die Weiterentwicklung von Demokratie und Menschenrechten« sowie »die Überwindung von Vorurteilen, Stereotypen, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sowie von Sexismus und Homophobie.«

    Gemäß des Unterrichtsprinzips »Sexualpädagogik« (2015) soll diese »(...) altersgerecht, an der Lebensrealität von Kindern und jungen Menschen orientiert sein und auf wissenschaftlich gestützten Informationen basieren. Sie soll einen positiven Zugang zur menschlichen Sexualität darstellen und eine positive Grundhaltung sich selbst gegenüber sowie das eigene Wohlbefinden befördern. Sie soll sich am Prinzip der Gleichstellung der Geschlechter sowie der Vielfalt der Lebensformen (z.B. sexuelle Orientierung, Geschlechteridentitäten) orientieren, soll Kompetenzen (z.B. kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeiten) vermitteln und an internationalen Menschenrechten ausgerichtet sein.«

    Das Unterrichtsprinzip »Reflexive Geschlechterpädagogik und Gleichstellung« (2018) »soll dazu beitragen, einen professionellen und reflektierten Umgang mit der Dimension des Geschlechts in der von heterogenen Lebenswelten geprägten Schule zu entwickeln und zwar auf Grundlage des verfassungsmäßig verankerten Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsauftrags. Demnach haben alle Geschlechter dasselbe Recht auf individuelle und selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung.«

    Es soll weiters dazu beitragen, »ein differenziertes Denken jenseits bipolarer, verengter Geschlechterbilder zu entwickeln (...).« Verwiesen wird auf den im »sog. ECRI-Prüfbericht des Europarats formulieren Handlungsbedarf für österreichische Bildungsorganisationen hinsichtlich der Prävention gegen homophobes Mobbing insbes. gegen LGBTI-Jugendliche (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender und intersexuell).«

    Wenn von der nicht immer korrekten Begriffsverwendung abgesehen wird, enthalten diese drei Unterrichtsprinzipien doch den eindeutigen bildungspolitischen Auftrag zur respektvollen Thematisierung von Geschlechtervielfalt im Unterricht.

     

     Spezifische Lebenslagen und Bedarfe von queeren Jugendlichen

    Angaben zum Bevölkerungsanteil von trans* und inter* Personen basieren in allen Ländern weltweit ausschließlich auf Schätzungen (Pauli 2023, S. 193ff.). Die Ergebnisse der unterschiedlichen Studien bezüglich des Anteils an Menschen, die sich im LGBT-Spektrum verorten, divergieren teilweise beachtlich [9]. Einerseits fußen sie auf sehr unterschiedlichen Erhebungsformen sowie Konzepten, wer als inter* oder trans* definiert wird oder sich selbst definiert. So wird die Häufigkeit von trans Personen in der Bevölkerung oft angegeben über die Anzahl der Menschen, die sich in medizinisch-therapeutische Behandlung begeben und eventuell geschlechtsangleichende hormonelle oder operative Maßnahmen in Anspruch nehmen. Nicht berücksichtigt sind dabei diejenigen, die sich als trans* identifizieren und ihre Wünsche und Bedürfnisse für sich behalten und/oder sich nicht behandeln lassen wollen. Für manche ist der Preis zu hoch, „sie ziehen es vor, mit der Inkongruenz zu leben“ (Pauli 2023, 195f.).

     

    Andererseits ist auch fraglich, ob Zahlen aus Ländern aussagekräftig sind, in denen inter* und / oder trans* Menschen von massiver Verfolgung betroffen sind und sie sich daher nicht deklarieren können ohne Nachteile zu fürchten. Umgekehrt ist bei steigender Akzeptanz von inter* und trans* Menschen mit einem Anstieg des Bevölkerungsanteil von trans* und inter* Personen zu rechnen.

    In Bezug auf inter* Personen spricht VIMÖ – Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich von ungefähr 1,7% der Bevölkerung, die eine ganz individuelle Kombination von Geschlechtsmerkmalen haben. In Österreich sind das ungefähr so viele Menschen wie in der Stadt Salzburg leben.

    »Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt wird häufig als ‚Minderheitenthema‘ abgetan. Tatsächlich kann davon ausgegangen werden, dass sich LGBTIQA*-Jugendliche in jeder Schule und jeder Schulklasse befinden.« (Haller/ Wittmann 2021, S. 275) Und Schüler*innen können inter*, trans* oder nicht-binäre Freund*innen, Familienmitglieder, Nachbar*innen haben, was die Thematisierung von geschlechtlicher Vielfalt in Unterricht und Schule erfordert.   

    Einen Einblick in die spezifischen Lebenslagen und Diskriminierungserfahrungen von queeren Menschen geben aktuelle Erhebungen und Studien:

    Im Frühjahr 2020 veröffentlichte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) die ersten Ergebnisse ihrer Studie »EU LGBT II Survey: A long way to go for LGBTI equality« [10].

    Befragt wurden 140.000 Menschen in allen EU-Mitgliedsstaaten (damals inklusive Großbritannien) sowie den Beitrittskandidaten-Ländern Nord-Mazedonien und Serbien zum Thema Hassverbrechen und Diskriminierung von LGBTI-Personen. Damit ist diese Studie die größte internationale Umfrage ihrer Art, bereits 2014 wurde eine etwas kleinere Studie veröffentlicht.

    Die Ergebnisse sind wenig erfreulich. Sie zeigen, dass homo- und bi-sexuelle Menschen und trans* und inter* Personen auch in Österreich immer noch massiv diskriminiert werden, wobei Diskriminierung viele Lebensbereiche betrifft. Eine von fünf trans* und inter* Personen wurde in den fünf Jahren vor der Umfrage körperlich oder sexuell angegriffen, doppelt so viele wie LGB-Personen.

    In der EU-28 haben unter den Befragten in der Altersgruppe der 15- bis 17-Jährigen 45 % Diskriminierung in der Schule erlebt [11]. Die diesbezüglichen Daten unterscheiden sich erheblich zwischen den Mitgliedstaaten, daher kann festgehalten werden: Schule kann eine wichtige positive oder eine negative Rolle spielen! In Österreich hatten 49% der Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren aus dem gesamten LGBTI-Spektrum Bullying in der Schule erlebt. (»Wurdest du während deiner Schulzeit jemals verspottet, gehänselt, beleidigt oder bedroht, weil du LGBTI bist?«) Im Vergleich dazu erlebten 53% der trans* Jugendlichen diese Arten von Bullying. Die österreichische Schule ist also immer noch weit davon entfernt, ein sicherer Ort für LGBTIQ*-Schüler*innen zu sein. Dies führt dazu, dass 22% der Schüler*innen aus dem gesamten LGBTIQ*-Spektrum in der Schule ihre geschlechtliche und/oder sexuelle Identität verheimlichen, von trans* Schüler*innen taten dies sogar 32%. (https://fra.europa.eu/en/data-and-maps/2020/lgbti-survey-data-explorer)

    So unterschiedlich die Lebenslagen, Erfahrungen und Bedarfe von (jungen) inter* und trans* Menschen sind – vor allem in Bezug auf hormonelle und/oder operative Wünsche – haben sie doch eine große Gemeinsamkeit: das Recht über den eigenen Körper und auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Inter* und trans*Kinder und Jugendliche in ihrem So-Sein anzuerkennen, zu schützen und zu stärken ist daher eine wichtige pädagogische Aufgabe. »Inter* und trans* stoßen immer noch auf gesellschaftliche Widerstände, z. B. auf Diskriminierung, Missachtung der Geschlechtlichkeit oder Körperlichkeit, auf schlechtere, oft kenntnisarme gesundheitliche Versorgung, sie werden unsichtbar oder hypersichtbar gemacht. Sie werden außerdem nicht selten auf den Aspekt inter*/ trans* reduziert. Weitere Lebensrealitäten von ihnen (z. B. Rassismuserfahrung, Behinderung, soziale Herkunft) geraten häufig in den Hintergrund, obwohl auch sie betrachtet werden müssten, um die Ausgangslage, in der sich das inter* oder trans*Kind bzw. der Jugendliche befindet, vollumfänglich zu erfassen.« (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Jugendliche, S. 9) Vor allem Intergeschlechtlichkeit gilt noch immer als Tabu. Umso wichtiger ist es dieses Tabu zu brechen und z. B. in Schulen »(...) offen mit dem Thema umzugehen, egal ob inter*Jugendliche in den jeweiligen Institutionen bekannt sind oder nicht, denn nur durch Aufklärung kann Respekt und Akzeptanz für Vielfalt geschaffen werden.« (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Jugendliche, S.  15)

    »Inter*Menschen können genauso wie andere Menschen medizinisch diagnostizierbare gesundheitliche Probleme haben. Diese können mit ihren Geschlechtsmerkmalen zu tun haben, müssen aber nicht. Wichtig zu wissen: Intergeschlechtlichkeit per se ist keine Krankheit. An vielen inter*Menschen wurden medizinische Eingriffe durchgeführt, in die sie oder ihre Eltern nicht vollumfassend informiert eingewilligt haben: Eingriffe, die das Ziel hatten, den intergeschlechtlichen Körper zu verändern, um vermeintlich besser den normierenden Vorstellungen von ‚weiblichen‘ und ‚männlichen‘ Körpern zu entsprechen, und nicht etwa, um den Gesundheitszustand zu verbessern oder zu erhalten. Mit diesem Ziel vor Augen werden z. B. Gonaden (Keimdrüsen) entfernt, Operationen an Genitalien durchgeführt oder Hormone verabreicht. (...) Diese Eingriffe, sowie ihre gleichzeitige Tabuisierung, können bei inter*Kindern Traumatisierungen auslösen, und diese Traumatisierungen können wiederum weitere belastende Folgen mit sich bringen, z. B. psychische Erkrankungen, chronisch somatische Probleme (d. h. Krankheiten, die sich auf körperlicher Ebene manifestieren, ohne dass körperliche Ursachen gefunden werden können), Lern-, Schul- und Berufsschwierigkeiten.« (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Jugendliche, S. 17f.)

    Auch die damit verbundenen oft längeren Krankenhausaufenthalte und längeres Fehlen in der Schule können Veränderungen im (schulischen) Verhalten des Kindes auslösen – von vollkommenem Rückzug bis zum genauen Gegenteil. Fragen Sie vorsichtig und achtsam nach, »z. B. folgendermaßen: ‚Ich hoffe, es geht dir gut nach deinem Krankenhausaufenthalt‘, oder ‚Kann ich dich auf irgendeine Art unterstützen nach deinem Krankenhausaufenthalt?‘ Setzen Sie sich mit der Thematik auseinander, involvieren Sie Beratungsstellen, wenn notwendig. Denn vielleicht geht es genau um solche Behandlungen (vielleicht aber auch nicht und es handelt sich gar nicht um ein inter*Kind). Aber haben Sie immer im Kopf, dass es so sein könnte.« (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Kinder, S. 15f.)

    Trans*Jugendliche können durch Eltern, andere Jugendliche oder Lehrpersonen, die ihre Geschlechtsidentität nicht akzeptieren, in ihrer Entwicklung beschränkt werden, z.B. dadurch, dass der selbstgewählte Vorname und das Pronomen ignoriert werden oder das Coming-Out behindert wird. Das kann zu erheblichem Leidensdruck führen, zu Depressionen, selbstverletzendem Verhalten, Schuldistanz oder Suizidalität [12]. Dann sind Sie als Lehrpersonen gefragt, aktiv zu intervenieren. Wenn Sie bemerken, dass ein*e trans*Jugendliche ausgelacht, gemieden oder beschimpft wird, schreiten Sie ein. (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Jugendliche, S. 20ff.)

    Quellen:

    [8] Die UN-Kinderrechtskomvention; https://www.kinderhabenrechte.at/die-un-kinderrechtskonvention/

    [9] Zu auffallend voneinander abweichenden Statistiken bzgl. des Bevölkerungsanteils von trans* und inter* Personen siehe zum Beispiel den LGBTIQ+-Gesundheitsbericht des österreichischen Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz aus dem Jahr 2022: Gaiswinkler u.a. 2023

    [10] FRA – European Agency for Fundamental Rights (2020): A long way to go for LGBTI equality. Luxembourg; https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-lgbti-equality-1_en.pdfsiehe auch https://www.wien.gv.at/menschen/queer/diskriminierung/zahlen.html sowie Country data Austria ... https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/lgbti-survey-country-data_austria.pdf

    [11] Hier und im Folgenden wenn nicht anders angegeben: in den letzten 12 Monaten vor der Befragung

    [12] LGBTIQ*-Jugendliche weisen eine 2- bis 5-fach erhöhte Suizidalität auf als heterosexuell-cisgeschlechtliche (Suizidalität umfasst alle Handlungen sowie Gedanken, die darauf abzielen oder zum Inhalt haben, sich das Leben zu nehmen); eine wichtige Ursache dafür ist, dass sie häufiger Opfer von Mobbing und Diskriminierung werden.

     Good-Practice-Beispiele von und für Schulen

    Sie möchten sichtbar machen, dass Ihre Schule queerfriendly ist? Oder zumindest erste Schritte in diese Richtung initiieren? Nachfolgend finden Sie Beispiele auf unterschiedlichen Ebenen, wie dies gelingen könnte.

    Weiterbildungen

    Für einen offenen Umgang mit dem Thema geschlechtliche (und sexuelle) Vielfalt ist die Haltung der Lehrpersonen entscheidend. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass Lehrpersonen sich bereits (intensiv) mit den Themen geschlechtliche (und sexuelle) Vielfalt auseinandergesetzt haben. Es empfiehlt sich daher entweder eine schulinterne Fortbildung für das gesamte Kollegium zu organisieren oder Kolleg*innen auf Fortbildungsangebote aufmerksam zu machen.

    Ein erster Schritt zu einer Sensibilisierung kann das Ausfüllen der Checkliste von Annika Spahn (S. 94/95) oder der Privilegiengalerie von Katja Linke (S. 18-21) sein.

    Schulwebsites Österreich

    Schulwebsites bieten eine Chance, sichtbar zu machen, wie wichtig es einer Schule ist, zur Enttabuisierung von geschlechtlicher (und sexueller) Vielfalt beizutragen.Nachfolgend ein paar – sehr unterschiedliche – Beispiele:

    • Die AHS Anton-Krieger-Gasse 25 (1230 Wien) hat auf der Schulwebsite folgendes Dokument veröffentlicht: »Rainbow Book. Geschlechtergerechter Umgang an der AKG«. Hier werden Begriffe erklärt, Filme und Bücher empfohlen, aber auch kurze Tipps für Lehrpersonen gegeben.
    • Am BG / BRG Contiweg (1200 Wien) wird von einem Projekt anlässlich der Pride Days 2023 berichtet.
    • Die HTL Rennweg (1030 Wien, Rennweg 89B) bekennt sich zum Hissen der Regenbogenflagge vor Schule.
    • Die Höhere Bundeslehranstalt für Mode sowie für Kunst und Gestaltung (1160 Wien, Herbststraße 104) hat eine Unterseite – hier werden seit Juni 2023 Projekte, Veranstaltungen, Workshops, Kooperationen mit Bezug zur Community getaggt.
    • Auf der Website der Berufsschule für Chemie, Grafik & gestaltende Berufe (1150 Wien, Hütteldorfer Straße 7-17) findet sich (leider sehr versteckt) ein Beitrag zur Eröffnung einer genderneutralen Toilette.
    • Beim Leitbild der »AHS Rahlgasse« werden geschlechtliche Identitäten explizit erwähnt (Näheres s. im Unterpunkt »Schulordnung«). 

    Schulordnung

    »Die Formulierung in einer Schulordnung sollte sich an der Wertschätzung und Förderung von Vielfalt ausrichten. Außerdem sollten Diskriminierung, Mobbing und Beschimpfungen, die auf gruppen­bezogener Menschenfeindlichkeit beruhen, explizit verboten, mögliche Sanktionen für alle Akteur*innen an der Schule benannt, sowie positive Gleichstellungsziele für die Schule verankert werden. Dazu ist es wichtig, Diskriminierungsformen wie Homo, Trans und Inter*feindlichkeit (aber auch Rassismus oder Behindertenfeindlichkeit) explizit zu benennen.« (Spahn 2018, S. 92)

    Dazu ein Beispiel einer Schule aus Wien. Die ersten zwei Unterpunkte des Leitbilds, das am 6.9.2019 von der LehrerInnenkonferenz der AHS Rahlgasse einstimmig beschlossen wurde, lauten:

    • »Wertschätzung
      Das Fundament unserer Schulgemeinschaft sind gegenseitige Achtung, ein wertschätzendes und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Lernenden, Lehrenden und Erziehungsberechtigten sowie Ablehnung jeder Form von Diskriminierung. Im Sinne einer ganzheitlichen Bildung steht in unserem Schulalltag neben kognitiven und kreativen Fähigkeiten auch das Lernen von personalen und sozialen Kompetenzen im Mittelpunkt.
    • Vielfalt und Gender
      Unsere Schule ist ein Ort der Vielfalt, an dem Chancengleichheit gewährleistet wird und alle ihre geschlechtlichen Identitäten entfalten können. Ein genderbewusster und reflektierter Umgang ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Wir setzen uns für gesellschaftliche Verständigung und Toleranz ein und begegnen entschieden rassistischen, kulturellen und religiösen Ressentiments.« 

    Wichtig ist, dass eine Schulordnung oder ein Leitbild, in denen geschlechtliche Vielfalt thematisiert wird, gemeinschaftlich diskutiert und beschlossen werden (von Lehrer*innen, Eltern, Schüler*innenvertretungen, …) und in regelmäßigen Abständen (z. B., wenn Lehrkräfte neu an der Schule zu arbeiten beginnen) kommuniziert werden.

    Geschlechtertrennung

    »Sind die Angebote nach Geschlecht getrennt? Wenn ja, weshalb und nach welchen Geschlechter­kategorien? Es kann in bestimmten, wenigen Kontexten Sinn machen, die Gruppen nach Geschlecht zu trennen, z. B. wenn Mädchen sich nicht trauen, vor Jungen offen zu sprechen. Es ist jedoch wichtig zu reflektieren, weshalb es sinnvoll ist und wie dennoch alle, auch nonbinäre, junge Menschen miteinbezogen werden können.« (Leitfaden für Leitungspersonen, S. 14)

    Im Falle einer Geschlechtertrennung beim Sportunterricht, bei den Umkleiden, Duschen, Toiletten empfiehlt es sich, in Absprache mit nicht-binären oder trans* Schüler*innen Wege zu finden, damit diese keine Diskriminierung erfahren.

    Bei Klassenfahrten mit Übernachtung sollte im Vorfeld geklärt werden, mit welchen Schüler*innen nicht-binäre oder trans* Schüler*innen das Zimmer teilen wollen und das Einverständnis der Zimmerkolleg*innen eingeholt werden.

    Toiletten 

    »Die Infrastruktur ist oft geprägt von einer binären Sichtweise auf Geschlecht. So sind Toiletten meist nur für Mädchen oder Jungen, ebenso Umkleidekabinen oder Duschen. Dies schliesst alle Menschenaus, die sich nicht als klar männlich oder weiblich definieren oder so wahrgenommen werden, und es vermittelt den Eindruck, dass Männer und Frauen nicht die gleiche Toilettenanlage benutzen könnten.Es kann einen grossen Stress bedeuten und negative gesundheitliche Folgen haben, wenn eine Person keine Toilette hat, wo sie sich wohl und sicher fühlt, ebenso ist es mit Umkleidekabinen und Duschmöglichkeiten. Wenn sich die Infrastruktur (noch) nicht verändern lässt, gilt es, kreative Lösungen zu suchen und mit den betreffenden Personen (wenn sie sich geoutet haben und bereit dazu sind) offen zu diskutieren, welche Bedürfnisse sie haben.« (Leitfaden für Leitungspersonen, S. 16)

    Hier ein paar Beispiele von Schulen bzw. Universitäten in Österreich, die sich des Themas Unisex-Toilette angenommen haben:

    • Das Snality Team der Berufsschule für Chemie, Grafik & gestaltende Berufe (1150 Wien, Hütteldorfer Straße 7-17), bestehend aus einer Lehrlingsgruppe von Medienfachleuten (cisgender und genderqueer), setzt sich für die Einführung einer dritten, geschlechtsneutralen Toilettenoption an Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen ein.
    • Ein Artikel widmet sich der ersten Unisex-Toilette in Klagenfurt. Auf der Schulwebsite der WI’MO Klagenfurt findet sich leider nichts dazu.
    • Der ÖH-Leitfaden zur Einrichtung von All-Genders-Toiletten richtet sich zwar an Universitäten, kann aber auch für Schulen interessant sein.

    Schulbibliothek

    Schauen Sie, dass Sie in der Schulbibliothek auch Fachliteratur und Jugendbücher zu geschlechtlicher Vielfalt haben (Tipps s. »Literaturtipps für Jugendliche«). Geben Sie diese Info an Ihre Schüler*innen weiter.

    Regenbogenflagge

    Die HOSI Wien setzt das Projekt »FLAGincluded« um. »Das Ziel von FLAGincluded besteht darin, anlässlich des Pride-Monats Juni möglichst viele Schulen mit Regenbogenflaggen auszustatten, als sichtbares Zeichen der Vielfalt. Als Teil dieser Aktion sind uns inhaltliche Impulse an den Schulen wichtig. Je nach zeitlichen und personellen Ressourcen sind ebenso Workshops, Fortbildungen, o.ä. mit Lehrkräften und/oder Schüler*innen denkbar. Wir stellen außerdem gerne Lehr- und Infomaterialien zur Verfügung. Uns ist bewusst, dass kaum Spielraum im Schulbudget für ein solches Unterfangen vorhanden ist. Deswegen möchten wir das Gesamtpaket kostenfrei zur Verfügung stellen.« (flagincluded.at)

    Auf flagincluded.at finden sich auch weiterführende Infos zum Projekt und zur Regenbogenflagge.

    Manche Schulen (z. B. die Modeschule Herbststraße) hissen die Flagge ganzjährig. Das Hissen der Flagge sollte allerdings nicht zu einem queerwashing führen, im Sinne von: »Wir machen ohnehin schon etwas, daher brauchen wir uns nicht ausführlicher mit der Thematik (sexuelle und) geschlechtliche Identität beschäftigen«. Wichtig ist es auch, etwaige Vandalismusakte gegen die Flagge als Anlass zu nehmen, mit den Schüler*innen über Menschenrechte, Diskriminierung, rechtliche Entwicklungen speziell im Zusammenhang mit LGBTIAQ* zu sprechen.

    Weitere Möglichkeiten der Sichtbarmachung

    Thematisieren von Geschlechtervielfalt im Unterricht

    • Das kann ganz nebenbei erfolgen (z. B., wenn Sie ein Textbeispiel im Mathematikunterricht erfinden und von »Alex und seinem Lebensgefährten« sprechen)

    oder

    »Nutzen Sie alle Gelegenheiten, die sich bieten, um zu vermitteln, dass Körper und Geschlechtsidentitäten vielfältig sind. (...) Auf Grund des enormen Entwicklungs-, Normierungs- und Leistungsdrucks, den Jugendliche in ihrer Pubertät erleben, stellt es für inter*Jugendliche eine besonders massive Herausforderung dar, ihren Körper und ihr Sein so zu akzeptieren und lieben zu lernen, wie sie sind.« (Geschlechtliche Vielfalt/ inter* und trans*Jugendliche, S. 15)

    Gegen Diskriminierung vorgehen

    »Aufklärung und Bewältigung nach diskriminierenden Aussagen/Vorfällen sind sehr wichtig und müssen sowohl Schutz wie auch Aufklärung enthalten. Bestrafung der diskriminierenden jungen Menschen bringt oft nichts, da so kein Nachdenken über das eigene Verhalten einsetzt und der Druck an die Opfer weitergegeben wird. Diskussionen über den Umgang miteinander, Rechte und Pflichten jedes*jeder Einzelnen und Sensibilisierung für Mobbing und Diskriminierung wirken mehr als Strafen.« (Leitfaden für Leitungspersonen, S. 18) Auf S. 18-20 wird beschrieben, wie Lehrkräfte auf Diskriminierung reagieren können.

    Der Verein Selbstlaut hat im Auftrag des Fonds Gesundes Österreich zwei ca. fünfminütige Kurzvideos für Schulleiter*innen und Projektteams zum Thema Schutzkonzept in Schulen erstellen« entwickelt. In der darin vorgestellten Checkliste wird darauf hingewiesen, dass es wichtig ist diskriminierungs­gefährdete transidente, inter*, nichtbinär, queer fühlende Schüler*innen zu stärken (https://vimeo.com/868053934, 4:31 bzw. https://vimeo.com/868056219,  3:19). Die Entwicklung eines Schutzkonzepts bietet die Möglichkeit, sich auch des Themas Schutz von LGBTIAQ* Schüler*innen anzunehmen.

    Vorstellrunde Lehrkraft

    Wenn Sie zu Schulbeginn in die Klasse kommen und Ihren Namen an die Tafel schreiben, können Sie die von Ihnen gewünschten Pronomen dazu schreiben. Entweder fragen die Schüler*innen ohnehin nach, was es damit auf sich hat oder Sie erklären mit Ihren Worten, warum Sie das machen. Sie könnten beispielsweise sagen: »Ihr wisst ja vielleicht, dass in Österreich seit 2018 gesetzlich anerkannt ist, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt. Darüber hinaus gibt es Menschen, die sich nicht mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, identifizieren. Daher ist es mir wichtig, euch zu sagen, wie ich angesprochen werden will. Und ich freue mich, wenn Ihr mir auch mitteilt, wie ich euch ansprechen soll.«

    Anschließend können sich die Schüler*innen vorstellen und – wenn sie das möchten – auch das Pronomen dazusagen. Dass dies nicht ganz unproblematisch ist, behandelt der Text von Mart Busche »Das ambivalente Potenzial von Pronomenrunden« (S. 27ff).

     

    Zum Schluss noch der Hinweis auf den LGBTIQ+-Gesundheitsbericht (Gaiswinkler u.a. 2022). Auf den Seiten 109/110 werden Maßnahmen aufgelistet, die in den Bereichen Bildung und Schulwesen zu einer Verbesserung der Gesundheit von LGBTIQ+-Personen beitragen könnten.

     Literaturtipps

    Literaturtipps für Jugendliche (Schulbibliothek)

    • Zwei Graphic Novels, die sich des Themas LGBTIQA*annehmen:
      • Linda Becker, Julian Wenzel: Was ist eigentlich dieses LGBTIQ*? Dein Begleiter in die Welt von Gender und Diversität. Illustriert von Birgit Jansen. migo ³2021. Ab 11 Jahren
      • Kathrin Köller, Irmela Schautz, Michaela Binder: Queergestreift. Alles über LGBTIQA+. Carl Hanser Verlag ³2022. Ab 11 Jahren

    • Alok Vaid-Menon: Mehr als binär. Zuckersüß Verlag 2022. Ein Buch, in dem es um den Weg zur eigenen Identität geht, versehen mit viel Zusatzinformationen (kein Jugendbuch, aber für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet).

    • Arabelle Sicardi: Queer Heroes. Illustriert von Sarah Tanat-Jones. Prestel Verlag 2020. Ab 14 Jahren. Ein Buch, in dem 53 queeren Personen von der Antike bis heute vorgestellt werden.

    • #MyIntersexStory: Personal accounts by intersex people living in Europe (2019). Eine Sammlung von Erfahrungsberichten von inter* Personen, aber auch Eltern aus unterschiedlichen Ländern (in Englisch, kein Jugendbuch, aber für Jugendliche ab 16 Jahren geeignet).

    • Viele Tipps zu Kinder- und Jugendbüchern, die sich mit Transgender beschäftigen, finden sich unter

    Literaturtipps für Eltern

    • Lisa Bolyos, Carolina Frank: Mich hat nicht gewundert, dass sie auf Mädchen steht. Gespräche mit Eltern queerer Kinder. Achse Verlag 2021

    • Verena Carl, Christiane Kolb: Queere Kinder. Eine Orientierungshilfe für Familien von LGBTQIA+-Kindern und
      -Jugendlichen. Beltz 2023

    • Dagmar Pauli: Die anderen Geschlechter. Nicht-Binarität und ganztrans* normale Sachen. C.H.Beck 2023

    • Ravna Marin Siever: Was wird es denn? Ein Kind! Wie geschlechtsoffene Erziehung gelingt. Beltz 2022

    • Unterstützen Sie Ihr intergeschlechtliches Kind. Erstellt von IGLYO, OII Europe & EPA. Übersetzung: Evelyn Köper. Fachlektorat und ergänzende Informationen zur Situation in Österreich und der Schweiz: Mirjam Werlen, Luan Pertl, Tinou Ponzer. O.O., o.J;

    • Vielfalt. Ich liebe mein Kind, so wie es ist!? Hg.: Verein WIENXTRA in Kooperation mit Stadt Wien – Bildung und Jugend und der WASt – Wiener Antidiskriminierungsstelle für LGBTIQ-Angelegenheiten. Wien 2023;

    Literaturtipps für Pädagog*innen

    Die nachfolgenden Broschüren stammen großteils aus Deutschland und der Schweiz. Sie beziehen sich daher auf die dortige Gesetzeslage und stellen regionale Beratungsstellen vor. Mit ihrer Fülle von Anregungen sind sie auch für Leser*innen aus Österreich relevant und empfehlenswert.

     Ansprechperson